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Am 1. Weihnachtsfeiertag feierte Pfarrer Schwind mit Unterstützung von Diakon Florian Grimm und den Ministranten das Hochamt.

In seiner Einführung erinnerte Pfarrer Schwind daran, dass nach dem Heiligen Abend nun die Tage wieder länger werden. Das Licht kehrt zurück. Das spiegele sich auch im heutigen Evangelium (Joh 1) wider, wo vom Licht die Rede ist, das durch die Geburt Jesu in die Welt gekommen ist.

In seiner Predigt erzählte er von seinem ersten Weihnachtserlebnis, das er in diesem Jahr bereits im August in Mömlingen beim MCV hatte. Der spontane Applaus galt auch als Bitte an ihn, diese Predigt in voller Länge veröffentlichen zu dürfen, dem sind wir mit seiner Genehmigung gerne nachgekommen.

Joachim bei seiner PredigtPredigt zum Weihnachtsgottesdienst am 25.12.2022 in Mömlingen 

Liebe Gemeinde, 

mein erstes Weihnachtserlebnis hatte ich in diesem Jahr hier bei Euch (in Mömlingen) und zwar schon am 15. August, am Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel, an Mariä Himmelfahrt, wie wir sagen.

Allerdings hatte es mit Maria, zumindest vordergründig, recht wenig zu tun, eigentlich so gut wie gar nichts. Es ging vielmehr um den Karneval.

Hier in Kirche war Familiengottesdienst gewesen, den Diakon Martin Höfer zusammen mit einem Team wunderschön vorbereitet hatte. Danach sollte er mich auf seinem Weg nach Niedernberg zuhause in Eisenbach vorbeibringen, weil ich hier kein eigenes Fahrzeug habe. „Ich muss unbedingt kurz im Biergarten des Mömlinger Carneval Vereins (MCV) vorbeischauen“, sagte er mir, „weil ich da Präses bin.“ Meine Mutter hat wohl etwas gestaunt, als ich sie anrief und ihr sagte, dass ich später zum Essen komme, weil ich – mitten im August – zu einer Karnevalsveranstaltung gehen würde“, aber dann sind wir auch sofort losgefahren. Am Sitz des MCV herrschte bereits Hochbetrieb: eine fröhliche, herzliche und auch ausgelassene Stimmung. Mit Mühe fanden wir noch zwei Plätze, gegenüber einer Dame, so um die 50, mit ihrer wohl auf die 80 zugehenden Mutter. Und wir kamen zwanglos ins Gespräch, vielleicht auch, weil weder Martin noch ich rein äußerlich als Kirchenmänner erkennbar waren.

Kurz nach unserer Ankunft kam noch einmal ein ganzer Schwung Leute an, und die Helfer suchten hektisch nach weiteren Sitzgelegenheiten.

„Wo die nur alle auf einmal herkommen?“, fragte die Dame gegenüber. „Ach“, sagte ich schlaumeierisch, weil ich es ja genau wusste, „die kommen bestimmt alle aus der Kirche!“ – „Richtig“, sagte die Frau etwas nachdenklich. „Die Zeiten gab es auch einmal, als man in die Kirche ging.“

Mir hat der Satz erst einmal einen Stoß verpasst. „Mein Gott“, dachte ich mir. „Sind wir schon an diesem Punkt angekommen, wo all das, was für mich – immer noch – gut, wichtig, unverzichtbar, ja heilig ist, für andere schon der Vergangenheit angehört?

Auf der anderen Seite war da in diesem Biergarten eine so schöne Stimmung: Freude, Begeisterung, Gemeinschaft, Herzlichkeit, Spontanität. Es kamen einzelne mit ihren Talenten zum Vorschein: als Musiker, als spontane Sänger, als Redner für Trinksprüche. Viele kannten sich; und die, die sich nicht kannten, lernten sich relativ leicht kennen. Da war eigentlich alles, was ich mir in meiner Kirche und von meiner Kirche erwünsche. Kann man es diesen Leuten verübeln, so fragte ich mich, dass sie lieber zum Karnevalsverein als in die Kirche gehen?

Und dann saß auf einmal rechts von mir der Werner Schmitt, der 1. Vorsitzende des Mömlinger Pfarrgemeinderats, der kurz zuvor noch in der Messe die Lesung gelesen hatte. Und er erzählte mir, dass er seit 1977 als Kassierer des MCV tätig ist. Und auf der anderen Seite saß Diakon Martin Höfer, der ganz offiziell Präses des Vereins ist, als so eine Art kirchlicher Ober-Narr. Und im Gespräch mit den beiden wurde mir klar, wie viele aus der Pfarrgemeinde sich mit Freude und Leidenschaft im MCV engagieren und dabei gewiss auch ihr Christsein nicht verleugnen, und wie sehr es zugleich dem Verein ein Anliegen ist, die christlichen Wurzeln nicht zu vergessen.

Es mag überraschend klingen, liebe Gemeinde: Aber das ist Weihnachten!

An Weihnachten begegnen sich zwei Wirklichkeiten: Gott und die Welt!

Und was passiert in dieser Begegnung:

  • Das Göttliche kommt in diese Welt, und in dieser Welt wird das Göttliche sichtbar.
  • Gott selbst geht mitten hinein in unser Leben und zeigt uns, wie gut diese Welt ist, wie göttlich wir bereits sind.
  • An Weihnachten öffnet uns Gott die Augen dafür, wer wir wirklich sind, was wir können, was für ein Potenzial in jeder, in jedem von uns steckt.

Vielleicht müssen wir uns verabschieden von der Vorstellung, dass diese Welt letzten Endes doch eher verwahrlost, verdorben und verloren ist, und dass nur Gott, wie eine Art Super-Magier, sie retten, heilen und positiv verändern kann.

Ja: Gott kommt in diese Welt, aber er kommt nicht, weil er Ordnung machen und uns alle wieder in die richtige Spur bringen will.

Gott kommt in diese Welt aus einem einzigen Grund: weil er verrückt ist! Verrückt aus Liebe.

Denn Gott“, so sagt es Jesus selbst im Johannesevangelium, „hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht [...]. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“ (Joh 3,16f)

Gott ist verrückt aus Liebe zu dieser Welt, aus Liebe zu uns Menschen.

Und er mag diese Welt und uns Menschen doch nicht deshalb, weil wir schlecht und unverbesserlich wären. Er mag uns, weil er an uns glaubt.

Er hat ganz am Anfang auf diese Welt geschaut und gesehen, dass alles, was er gemacht hatte, sehr gut war. (Vgl. Gen 1,31)

Dann ist vieles aus dem Ruder gelaufen: Wir Menschen sind mit der Freiheit, die Gott uns geschenkt hat, oft genug verantwortungslos umgegangen und tun dies immer noch, tagtäglich. Wir alle haben Mist gebaut: mit uns selbst, miteinander, mit dieser Schöpfung.

Aber wir waren und sind nicht in der Lage, das großartige Schöpfungswerk Gottes zu zerstören. Wir haben das Gute, das Gott uns mitgegeben hat, vielleicht zugedeckt und verschüttet. Aber es ist noch da.

Und jetzt an Weihnachten kommt Gott in diese Welt, weil er das weiß. Und er schaut uns an mit den großen, Vertrauen erweckenden Augen dieses Kindes und sagt uns mit einem gewinnenden Lächeln:

Komm schon! Egal was du siehst und hörst; egal, was du von dir selber denkst oder was du mit anderen angestellt hast; egal, was die anderen mit dir angestellt haben: Ich glaube an dich! Ich glaube an das Gute in dir. Ich glaube an das Gute in den Menschen, mit denen du es zu tun hast. Ich glaube an all das Schöne und Gute in der Natur und der Schöpfung. – Und wenn ich das kann: als armes, verletzliches, kleines Kind von Betlehem, dann kannst du das auch.

Ich bin in diese Welt gekommen, weil ich verrückt bin aus Liebe zu dir, und ich schaue dich an mit einem Blick, der an das Gute in dir glaubt.

Mach es mir nach! Lauf nicht davon vor dem Schwierigen, Schlechten und Bösen! Verschließ nicht die Augen vor all dem, was schiefläuft und daneben geht!

Geh auch du hinein in diese Welt und schau sie an mit den Augen der Liebe, mit den Augen, die das Böse und Schlechte nicht übersehen, aber die tiefer blicken und so das Gute und Positive freilegen!

Geh auch du hinein in diese Welt!

Geh dorthin, wo man feiert und sich freut und wo das ganze Jahr Karneval ist; und geh dahin, wo es unangenehm wird, wo es weh tut, wo dir Misstrauen, Abwehr, Ignoranz, Verbohrtheit, Dummheit oder gar Bösartigkeit begegnen!

Schau nicht weg, sondern schau hin, nicht mit dem kritischen Blick, der alles hinterfragt und alles mies macht, sondern mit meinem Blick, dem Blick der Wertschätzung und Hochachtung, dem Blick der Liebe, jener Liebe die alles erträgt, alles glaubt, alles erhofft, allem standhält (vgl. 1 Kor 13,7) und die immer noch etwas Schönes und Gutes entdecken und hervorheben kann.“ 

Heute, an Weihnachten sagt uns unser Gott:

Diese Welt wartet auf dich, weil sie auf mich wartet.

Geh hinein und verwandle sie mit den Augen, die tiefer schauen.“ 

Lasst uns, liebe Gemeinde, diese Einladung annehmen.

Denn so, und nur so, können wir einen Beitrag dazu leisten, dass auf Erden wirklich Frieden und Freude herrschen, und dass die Engel im Himmel in der Tat allen Grund haben, Halleluja zu singen.

 

Frohe Weihnachten! 

Joachim Schwind

 

 

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