Diakon Thomas Seibert geht in einem Monat in den Ruhestand. Aus diesem Anlass haben wir folgendes Interview mit ihm geführt:
Herr Seibert, können Sie uns kurz ihren beruflichen Werdegang schildern?
Mein beruflicher Werdegang: Meine Eltern machten mir und meinem jüngeren Bruder den Besuch des Knabenseminars in Münnerstadt möglich. Sie sagten immer, das wäre unser Erbe, das sie uns mitgeben würden. Ich war also 9 Jahre im Studienseminar St. Josef bei den Augustinern. Dort wohnte und lernte ich zusammen mit über 40 Buben des Jahrgangs und besuchte das dortige Gymnasium, die sogenannte „Rhön-Universität“. Neun Jahre, von 1965 bis 1974 humanistisches Gymnasium, das hieß Latein und Alt-Griechisch lernen. Ich „Landei“ hörte dort zum ersten Mal etwas von Grammatik und dass es in der deutschen Sprache 4 Fälle gibt. Der damalige Deutsch- und Lateinlehrer, Herr Schießer, sagte meinen Eltern beim Sprechtag, es wäre ganz normal, dass die Buben in Deutsch erst mal lauter vierer bekämen, das gäbe sich mit der Zeit. Recht hatte er; ich meine aber mein Deutsch besserte sich hauptsächlich wegen meiner Lesesucht. Daheim hatte ich nie ein Buch in die Hand genommen. Dort gab es in jedem Studierzimmer einen Bücherschrank mit lauter spannenden Büchern. Ich glaube es gab kein Buch, das ich nicht „verschlungen“ hätte. Es wurde damals eine Sucht in mir geweckt, die mich heute noch packt, wenn ich ein interessantes Buch anfange zu lesen: Ich kann es kaum mehr aus der Hand legen! Beim Fußball spielen gehörte ich eher zur zweiten Garde, aber Schulsport (Leichtathletik und Geräteturnen) lagen mir. Aber wie die lateinischen und griechischen Vokabeln mit der Zeit in Vergessenheit geraten sind, war es auch mit meinen Fähigkeiten im Turnen. Unsere Kinder waren eine Zeitlang im Mömlinger Turnverein. Beim Anturnen im Frühjahr gab es auch einen Parcours für Erwachsene. Ich wollte natürlich zeigen, wie elegant ich die Grätsche über den Bock beherrschte – aber es wurde eher ein Kamikaze-Flug und ich war froh, dass ich mich nicht ernsthaft verletzte.
Ja die Zeit!
Was hatte Sie damals bewegt, gerade diesen Beruf anzustreben?
In Münnerstadt wurde wohl auch meine Berufung zugrunde gelegt. Augustiner werden war wohl unterschwellig da, aber bevor das konkret werden konnte, trat meine jetzige Frau auf den Plan. Na ja, ich war begeistert und verliebt und somit nicht mehr geeignet für einen geistlichen Beruf – so dachte ich damals. Ein Aushang der Fachhochschule Eichstätt im Oberstufenraum gab dann den Ausschlag: Eine Werbung für den Studiengang Religionspädagogik und kirchliche Bildungsarbeit. Es ging mir nicht mehr aus dem Kopf; ich bin hingefahren mit Renate und wir haben die Hochschule angeschaut und die Eichstätter Luft geschnuppert und angebissen. Für mich war klar: Ich würde dort studieren. Es hat sich so gefügt. Nach meiner Bundeswehrzeit fing ich im Herbst 1975 das Studium an.
Wie hat sich der berufliche Einstieg in Mömlingen gestaltet? Gab es Schwerpunkte?
1979 beendete ich mein Studium mit dem Diplom Rel.Päd. grad., mittlerweile Diplom FH und bewarb mich beim Ordinariat Würzburg um eine Stelle. Ausgerechnet nach Mömlingen wurde ich angewiesen, in meine und meiner Frau Heimatgegend.
Wir wurden dankbar aufgenommen. Oft hörte ich: In Mömlingen gefällt es jedem! Oft hörte ich auch: Was aus Pflaumheim kommen Sie? Kennen Sie den und den... Natürlich kannte ich den und den nicht – war ich doch seit meinem 11. Lebensjahr von daheim fort.
Ja, ich fühlte mich wohl in Mömlingen, waren wir doch seit dem 24. Oktober eine Familie mit Kind und dankbar, dass Oma und Opa in Pflaumheim und Eisenbach in Reichweite waren.
Schwerpunkte meiner Arbeit damals waren Schule, Jugend, ja und auch das Pfarrbüro. Es gab noch keine Sekretärin; die Arbeit hatte bis dahin ein Zivildienstleistender getan und vorübergehend musste ich einspringen: Messbestellungen entgegennehmen, Matrikelbucheintragungen vornehmen und der normale Parteiverkehr – das Pfarrbüro hatte gefühlt jeden Tag geöffnet, vormittags und nachmittags. Und es war der Treffpunkt der KJG; sie hatten ihre Vorbereitungsbücher für die Gruppenstunden in einem Regal im Pfarrbüro stehen und kamen oft vorbei. So war der Kontakt mit den Gruppenleitern relativ leicht zu halten und Beziehungen gut zu pflegen. Nicht zu vergessen, auch der damalige Kirchenpfleger. Er kam oft zu einem Plausch ins Büro und erklärte mir vieles. Und es gab jeden Nachmittag Kaffee bei Pfarrer Schüssler und Theresia in der Küche. Ich denke gerne an diese Zeit zurück! Nicht so gerne denke ich zurück an die Arbeiten, die ich im Rahmen meiner zweiten Dienstprüfung zu erledigen hatte. Na ja Schwamm drüber, schließlich hatte es geklappt und ich war vom Gemeindeassistenten zum Gemeindereferenten aufgestiegen.
Diese Zeit damals war auch geprägt von den theologischen Praktikanten, die beim Pfarrer ihr Pastoralpraktikum vor der Weihe machten. Es ist für mich heute interessant zu sehen, was aus ihnen geworden ist. Bis in die hohen Kammern des Ordinariats sind zwei vorgedrungen.
Im Lauf der „Jahrzehnte“ änderten sich natürlich die Schwerpunkte der Arbeit. Nach der Zeit im „Team K“ der KJG und durchaus manch brisanten Jugendgottesdiensten und als Nachfolger des Pfarrers im Amt des geistlichen Leiters der KJG, trat diese etwas zurück. Meine Gedanken waren nicht mehr so ganz die der jungen Leute.
Neben der Ehe und der Familie war natürlich ein bedeutender Einschnitt meine Weihe zum Diakon. Das, was ich damals bei meiner Berufsentscheidung aufgrund des Ehesakraments nicht im Blick war, hatte Gestalt angenommen. Ich war seit 24. Oktober 2002 katholischer Diakon. Es war in meinem 49. Lebensjahr eine Art Neuaufbruch und Weichenstellung. Ich habe es sicherlich nicht meiner Initiative allein zuzuschreiben, sondern auch dem Gebet der Menschen um mich herum und der Fügung Gottes.
Es war und ist mir seitdem eine Freude, jungen Leute, die ich schon seit ihrer Schulzeit kenne (und sie mich!) bei ihrer Hochzeit zur Seite zu stehen, wenn sie sich das Ehesakrament spenden, ihre Kinder zu taufen, in der Schule zu unterrichten und auf die Kommunion vorzubereiten. Irgendwie schließt sich hier ein Kreis.
Wie hat sich ihr Berufsbild durch den Zusammenschluss der Pfarreien Eisenbach, Obernburg und Mömlingen geändert?
Mein Berufsbild ist gleichgeblieben. Es geht mir darum den Menschen seelsorgerisch beizustehen, sie in schönen und schweren Lebenssituationen zu begleiten. Aber mein Blick auf die Pfarreien ist anders geworden, sorgenvoller. Ich stelle fest, so eine von „oben“ verordnete Zusammenarbeit ist schwer. Sie bedarf des unvoreingenommenen Kontakts der Menschen in den Pfarreien. Momentan erlebe ich (noch) zu sehr Gerangel um Positionen, z.B. Gottesdienste. Als guten Ansatz betrachte ich Treffen zum einander Kennen- und Schätzenlernen. Die Gemeindemitglieder sollten aus gemeinsamem Interesse über Pfarreigrenzen hinweg zusammenarbeiten. Was „die unten“ schaffen ist durch nichts zu ersetzen und was sie nicht schaffen, kann „von oben“ nicht verordnet werden!
Ich bin ja weiterhin mit 5 Wochenstunden (einschließlich Vorbereitungszeiten) im Dienst und werde mein Bestes geben für eine gute Zukunft. Ich wünsche dabei mir und unserer Pfarreiengemeinschaft Gottes Beistand.
Worauf freuen Sie sich am meisten im Ruhestand?
Dass ich das tun kann, was die ganze Zeit immer liegen geblieben ist in Haus (es müssen seit unserem Einzug immer noch Leisten an der Decke im Gang angebracht werden!) und Garten. Und ich freue mich darauf, den Einladungen meiner KlassenkollegenInnen zum Frühstück am „Werktag“ und anderem nachkommen zu können. Alle sind sie schon in Rente!
Und ich habe meiner Frau versprochen, kochen zu lernen und sie am Herd wenigstens ansatzweise zu entlasten.
Sie/ihr habt jetzt so weit gelesen. Respekt! So entnehme ich mein Schlusswort dem Ironimus der Main-Echo-Zeitung am Mittwoch, 26.6.2019:
Liebe Leser.
Mit Spannung wurde an Fronleichnam in Leidersbach wieder einmal erwartet, welcher Pfarrer den Gottesdienst zelebrieren und die Prozession begleiten würde. Nach dem offiziellen Teil geht es im Grund nämlich traditionell zum Frühschoppen. Doch wie viel Zeit den Männern dort bleibt, bis das Mittagessen nach Hause ruft, hängt stark von dem Geistlichen ab, wie ein Feuerwehrkamerad erklärt: „Bei Pfarrer Wissel können wir noch zwei Maß Bier trinken, bei Pfarrer Geiger nur eine Maß und bei Pfarrer Schüßler leider gar nichts mehr.“ Das Problem ließe sich ganz leicht lösen: Wer länger betet, muss danach einfach schneller trinken, frotzelt...
ihr Ironimus
Was müsst ihr, was müssen Sie jetzt schneller machen, nach der langen Lesezeit?
Wer´s nicht weiß: Pfarrer Schüssler war lange Zeit mein Lehrmeister und väterlicher Freund. Ich freue mich, dass er bei meiner Verabschiedung in die Rentenzeit beim Gottesdienst am Anna-Tag in Obernburg Festprediger ist. Bei ihm habe ich in Mömlingen meinen Dienst angetreten, ich freue mich, dass er auch dabei ist, wenn ich mich bei den drei Gemeinden Mömlingen, Eisenbach und Obernburg in den Rentenstand verabschiede. Die offizielle Bezeichnung ist dann Thomas Seibert, Diakon im Zivilberuf.
Vielen Dank allen, die mich er- und getragen haben in den beinahe 40 Jahren meines Dienstes in Mömlingen, in Eisenbach und in Obernburg!
Ihr/Euer Thomas Seibert
Ein herzliches Dankeschön für das Interview. Wir wünschen Dir, dass Du gesund bleibst. Damit Du Deinen „UNRUHE-STAND“ so leben kannst, wie es für Dich gut ist.
Das Interview führten R. Zieres und E. Müller